„cine cubano“ Filmfest im Mai 2012 in
Bochum –
mit prominenten Gästen und preisgekrönten Filmen aus
Cuba
Nachtrag August 2012: Bericht zum „cine cubano“
Download dieses Nachtrags (PDF-Datei)
Das Filmfest Cine Cubano vom 16. bis 31. Mai 2012 war eine gelungene Kooperation der Humanitären Cuba Hilfe mit dem Endstation Kino und dem Bahnhof Langendreer.
Die Eröffnungsveranstaltung am 16.5. begann als Doppelprogramm
mit den cubanischen Filmgästen Gloria Rolando und Ian Padron und
ihren Filmen.
Der Abend wurde im wahrsten Sinne ein voller
Erfolg – mit einem nahezu ausverkauften Kino bei anregender
Festivalatmosphäre. Auch VertreterInnen der Cubanischen Botschaft
und der Direktor der Cátedra Humboldt waren gekommen.
Die
Diskussion mit den Gästen ergab viele interessante Informationen
über das Filmemachen in Cuba, die gesellschaftliche Wahrnehmung von
Filmen und die intensive Auseinandersetzung des cubanischen
Publikums mit den gesellschaftlichen Themen.
Nicht zuletzt wurden persönliche Eindrücke und Erfahrungen
ausgetauscht und freundschaftliche Kontakte geknüpft.
Gloria Rolando stellte ihren Film: 1912 – Voces para un
Silencio, Teil I und II vor – ein äußerst interessanter
Dokumentarfilm zur Geschichte des afro-cubanischen Widerstands bis
zur Gründung der ersten Partei der Schwarzen außerhalb Haitis – der
Partido Independiente de Color (PIC). Ein Thema, das selbst im
Geschichtsbewußtsein in Cuba bis heute wenig präsent ist.
Geschichtlich gesehen haben die Schwarzen immer eine wichtige Rolle
gespielt – ob als Sklaven, die Arbeit leisteten, ihre
Unabhängigkeitskämpfe und später als Kämpfer an vorderer Front in
den verschiedenen nationalen Befreiungskämpfen gegen koloniale
Besatzungen Cubas.
Gesellschaftliche und politische
Gleichberechtigung aber wurde ihnen lange verwehrt, die Ansätze
blutig unterdrückt und viele ihrer politischen Führer ermordet.
Es ist ein wichtiger Film, der auch außerhalb Cubas in Amerika zur
Aufarbeitung der langen Geschichte der Unerdrückung der Schwarzen
und ihrer politischen Organisation beiträgt. Im Gespräch mit der
Filmemacherin wurde die Bedeutung auch für uns betont – da hier oft
nur Fragmente überwiegend aus der jüngeren amerikanischen Geschichte
bekannt sind, wie die Black Panther Bewegung.
Darüber hinaus
kamen interessante Fragen auf, z.B. ob oder wie weit die Geschichte
der Unterdrückung auch heute noch zu einer Ungleichbehandlung von
Menschen mit dunkler Hautfarbe führt - trotz gesellschaftlicher und
politischer Gleichberechtigung und gleicher Bildung für alle Cubaner
seit rd. 50 Jahren. Eine mentale Diskriminierung ist selbst nach so
vielen Jahren noch zu spüren und hat darüber konkrete Auswirkungen -
so ist z.B. der Anteil von Schwarzen im einfachen
Dienstleistungsbereich sehr viel höher.
Der Film wurde sowohl im
cubanischen Fernsehen gezeigt – als auch auf internationalen
Festivals z.B. in den USA diskutiert und erhielt viele Preise. Der
3. Teil ihres Films wurde kurz nach dem Besuch in Deutschland von
Gloria Rolando in Havanna vorgestellt – wir hoffen ihn später auch
hier im Kino zeigen zu können!
Gloria Rolando
Ian Padróns Film
Habanastation brach in Cuba die Publikumsrekorde. Er ist
international gefragt und erhielt den Rocher Glauba Preis des
Festivals des Neuen Lateinamerikanischen Films 2011 in Havanna sowie
Preise und Auszeichungen auf einer Reihe von internationalen
Filmfestivals. Auch das Filmpublikum in Bochum war sehr angetan von
diesem aktuellen und sehr cubanischen Film, der einfühlsam und
realistisch, lustig und nachdenklich zugleich war.
Er
thematisiert wie nie zuvor im cubanischen Kino die Existenz scharf
kontrastierender sozialer Lebenswelten thematisiert: Die Geschichte
der Freundschaft zwischen einem Jungen, der als Sohn eines
international erfolgreichen Musikers in materieller Sorglosigkeit
aufwächst und einem Klassenkameraden aus einem marginalisierten
Stadtteil, den er mit seiner „Pleiesteichon“ zu beeindrucken
versteht.
Der Film zeigt auch, dass gegenseitige Vorurteile und
Unkenntnis der Lebenssituationen ein gutes Zusammenleben behindern,
gegenseitige Ängste schüren und Änderungen verhindern. Die
Protagonisten beweisen, das Freundschaft und Zusammenhalt
Lebensqualität bedeuten - mehr als materielle Sicherheit zu bieten
hat – auch und gerade für junge Menschen. Der Film ist mehr als eine
gelungene „coming of age-story“ und hat auf der Insel zu intensiven
Diskussionen geführt.
Zuschauer, die bis dahin Zweifel
hatten, dass in Cuba eine offene Diskussion über gesellschaftliche
Probleme überhaupt möglich ist – dass sie nicht von vornherein über
„staatliche Zensur“ unterdrückt wird, konnten an diesem Abend vom
Gegenteil erfahren. Nach anfänglicher Zurückhaltung wurde dieser
unabhängig produzierte Film vom staatlichen Filminstitut ICAIC
finanziert und erfährt offizielle Anerkennung!
Ian hofft
Denk- und Handlungsanstöße mit seinem Film zu geben – ändern müssten
aber die Menschen selbst ihre Einstellung und das Verhältnis
zueinander.
Ian Padron
Im Verlauf des Cine Cubano Festivals wurden der Film
Maluala gezeigt – ein Spielfilm von 1979 zu den
Sklavenaufständen in Cuba – dem Konflikt zwischen den befreiten
Dörfern der Cimarrones und der kolonialen Regierung.
Der Film
Personal Belongings von 2006 ist eine cubanische
Liebesgeschichte, die sich vor dem schwierigen Hintergrund von
Bleiben und Auswandern bewegt.
Die abschließende
Veranstaltung mit Vorführung und Diskussion der Kurzfilmrolle von
Studenten der Internationalen Filmhochschule EICTV bei Havanna und
dem Cubanischen Filminstitut ICAIC wurde zu einem weiteren
Highlight des Filmfestes. Die Filme behandelten ganz
unterschiedliche, persönliche wie gesellschaftliche Themen – sowohl
experimentell als auch dokumentarisch bearbeitet.
Wir hatten
das Glück, mit dem Dozenten German Wiener einen Insider als
Diskussionspartner in Bochum zu haben, der sowohl an der Dortmunder
Filmhochschule als auch an der EICTV bei Havanna unterrichtet. So
erfuhren die interessierten Besucher, unter denen diesmal auch viele
jüngere Zuschauer waren viel zur Ausbildung der ausländischen
Studenten an der Internationalen Filmhochschule, die im Jahre 1986
mit Unterstützung von G.Garcia Màrquez gegründet wurde. Hier werden
heute noch talentierte junge Menschen aus armen Verhältnissen
aufgenommen, die eine umfassende, nahezu kostenlose Ausbildung
erhalten, die sie befähigt in ihren meist ebenfalls armen Länder
Filme zu machen. Ein weiteres Beispiel für die internationale
Solidaritäts Cubas – neben den vielen humanitären Einsätzen
weltweit.
Alles ins allem haben die Veranstalter und alle Mitwirkenden sich sehr gefreut über das große Interessen an diesem ersten Cine Cubano Festival in Bochum – und möchten auch hier noch einmal ganz herzlichen Dank sagen an die Kooperationspartner des Frankfurter Festivals, an die Förderer eed und Katholischer Fonds und nicht zuletzt an alle Mithelfenden und Unterstützer und natürlich an das Publikum! Auf eine Fortsetzug im nächsten Jahr!
Das Filmfest im Mai 2012 in Bochum
Cuba, ein kleines Land des globalen Südens, ist als Filmland
herausragend. Das Internationale Festival des
lateinamerikanischen Films, das seit 1979 im Dezember in Havanna
stattfindet, ist legendär und einfach das bedeutendste Ereignis
im Jahr, was den lateinamerikanischen Film anbetrifft. Havanna
ist dann Weltstadt und wird ein Ort der Obsession für den Film.
Hier treffen sich alle namhaften Filmemacher, Schauspieler und
Produzenten aus dem karibischen Raum, Zentral- und Südamerika,
Europa und auch - kaum zu glauben - den USA.
Garcia Marquez und Birri – internationale Unterstützung...
Das Festival geht auf eine Initiative von
lateinamerikanischen Cineasten zurück, die 1985 die Stiftung
Neuer Lateinamerikanischer Film (FNCL) mit dem Ziel
gründeten, zur Stärkung der nationalen Kinematographien und der
kontinentalen Zusammenarbeit beizutragen, indem sie Produktionen
und Projekte fördert und auch wissenschaftliche Forschung
ermöglicht. Gleichzeitig wurde mit Hilfe des
kolumbianischen
Schriftstellers und Nobelpreisträgers
Gabriel García Márquez die Internationale Hochschule für
Film und Fernsehen (EICTV) in San Antonio de los Baños bei
Havanna gegründet.
Sie - auch Film- und Fernsehschule der
Drei Welten genannt – ist einzigartig: Junge Menschen aus allen
möglichen Ländern, besonders aus denen der sog. 3. Welt, können
dort studieren und erhalten, wenn nötig, Stipendien. Ihr erster
Direktor war 1986 der
argentinische
Filmemacher
Fernando Birri, einer der Begründer des Neuen
Lateinamerikanischen Films. Heute wird sie geleitet von dem
cubanischen Regisseur Julio García Espinosa. Ausbildungsprinzip
ist, Filmschaffende aus aller Welt als DozentInnen einzuladen.
Vom cubanischen Staat unterstützt, ist die Schule doch
unabhängig; Träger ist die FNCL mit
Gabriel Garcia Marquez als Präsident.
... für eine lebendige Kinoszene in Cuba
Die Menschen in Havanna sind Filmfanatiker, das zeigen –
nicht nur beim Festival – die langen Warteschlangen vor den
Kinokassen ebenso wie die temperamentvollen Diskussionen um
jeden neuen Streifen. Filmkultur als Spiegel der Gesellschaft
verdeutlicht die Wechselbeziehung zwischen der
gesellschaftlichen Situation, ihrer Entwicklung und der
künstlerischen Verarbeitung. Das filmische Schaffen wirkt
wiederum auf die gesellschaftliche Debatte zurück - eine
allgemein gültige Beziehung, doch in Cuba dank seiner
kinobegeisterten Bevölkerung besonders bedeutsam. Das
bekannteste Beispiel dafür ist der Film „Erdbeer und
Schokolade“, der seinerzeit zu einer deutlichen Veränderung im
gesellschaftlichen Umgang mit Homosexualität in Cuba führte.
Derzeit bewegt sich wieder viel in Cuba. Neben Änderungen im
ökonomischen System gibt es grundlegende Diskussionen über die
Zukunft der Insel. Im Dezember 2011 in Havanna beim Festival
Internacional del Nuevo Cine Latinoamericano zeigten die
FilmemacherInnen, welchen Zwängen die Menschen in diesen harten
Zeiten ausgesetzt sind. Sie greifen Ängste auf, die von der
schwierigen Lebenssituation herrühren und die CubanerInnen
bewegen. Themen aus dem Alltag verweisen oft auch auf
universelle Fragestellungen.
Quirlige Betriebsamkeit zeigt
sich auf Havannas Straßen, es wird nicht nur viel gebaut, auch
kulturell wird experimentiert. Eine junge, kreative und
unabhängige Filmgeneration macht sich schon seit Längerem
bemerkbar.
Unser Programm in Bochum
Wir sind gespannt auf unsere Gäste und freuen uns, dass wir
das Filmfest cine cubano mit Gloria Rolando und
Ian Padrón eröffnen können! Sie sind zum Filmgespräch
anwesend, ihre aktuellen Filme zeigen wir in einem
Doppelprogramm.
Gloria Rolando beschäftigt sich bereits seit Jahren in ihrem filmischen Werk mit dem afrikanischen Wurzeln Cubas. 1912 – Voces para un silencio ist ein Beitrag zur Geschichte der AfrocubanerInnen und Amerikas erster Partei von Schwarzen außerhalb Haitis. Rolandos dokumentarische Trilogie erinnert an die schmerzlichen Erfahrungen bei den Massakern im Jahr 1912 an der afrikanisch-stämmigen Bevölkerung Cubas.
Der Regisseur Ian Padrón wird Habanastation vorstellen, seinen Mega-Erfolg des letzten cubanischen Sommers, eine gelungene coming of age Geschichte, die ganz neue Aspekte der Lebens- und Sozialverhältnisse auf Cuba zeigt. Beim Festival mit dem Glauber Rocha Preis prämiert, brach er auch in allen Kinovorstellungen die Kassenrekorde. Auch im Ausland wurde er sehr beachtet: In Miami gab es Applaus während der Vorstellungen, beim Traverse City Festival in Michigan wurde er ausgezeichnet und er zeigte das Filmland Cuba in Los Angeles, wo er für Cuba im Rennen um den Oscar („Bester ausländischen Film“) war.
=> Hier finden Sie weitere Informationen zu Gloria Rolando und Ian Padròn ...
Das Thema „AfroCuba“ wird mit dem spannenden Spielfilm
Maluala von Sergio Giral vertieft. Personal Belongings,
ebenfalls ein Spielfilm, von dem in Cuba lebenden argentinischen
Regisseur Alejandro Brugués, stellt die in Cuba unterschiedlich
aktuelle Frage nach Bleiben oder persönlichem Aufbruch zu neuen
Ufern auf lateinamerikanisch-cubanische Weise. Apropos: Diese
Filmauswahl ist auf inspirierende Weise mit dem endstation-kino
Monatsprogramm außerhalb des Festivals verbunden, denn im Mai
ist auch die Hommage an den großen Sänger und Bürgerrechtler
Harry Belafonte als ein weiterer Beitrag zu Afroamerika zu
sehen; während Personal Belongings überraschend mit „Barbara“
(Silbener Bär für Regie) korrespondiert, der das Thema „Bleiben
oder Gehen & die Liebe“ in der DDR der 80er Jahre thematisiert
und ebenfalls gezeigt wird.
Zum Abschluss unseres Filmfestes
cine cubano wird es ganz bestimmt noch einmal besonders
spannend: Die Kurzfilmrolle mit aktuellen Arbeiten von
AbsolventInnen der Internationalen Filmuni bei Havanna zeigt
uns, was dort die junge Generation bewegt und wie sie die Welt
sieht. Zur Einführung ist German Wiener, Dozent für Film
und Kamera in Dortmund und Cuba, anwesend.
Wir – die
VeranstalterInnen – freuen uns sehr auf das Filmfest und
natürlich auf Sie und Euch und auf rege Diskussionen mit den
cubanischen Gästen. Für Übersetzung wird gesorgt!.
cine cubano wird in Bochum von der Humanitären Cuba
Hilfe in Kooperation mit dem Bahnhof Langendreer und
dem endstation-kino
veranstaltet. Es konnte realisiert werden mit der freundlichen
Unterstützung des gleichnamigen Festivals in Frankfurt und mit
Hilfe der finanziellen Förderung vom Evangelischen
Entwicklungsdienst eed und dem Katholischen Fonds. !Muchas
graçias!
cine cubano
- Die Termine (Übersicht):
Mittwoch, 16.05.2012. - Eröffnung:
18.00
Uhr: 1912 – Voces para un silencio
ca. 20.00 Uhr (im Anschluss)
Filmgespräch mit Gloria Rolando und Ian Padrón
21.00
Uhr: Habanastation
Sonntag, 20.05.2012
17.30 Uhr Maluala
Donnerstag, 24.05.2012
19.00 Uhr Personal
Belongings
Donnerstag, 31.05.2012
19 Uhr: Kurzfilme
der EICTV und der Muestra Joven ICAIC
Wo? In Bochum im
Bahnhof Langendreer, "endstation
kino"
Hier lest ihr noch die ausführlichen Inhaltsbeschreibungen zu den Filmen ...