Obama blockiert Cuba
Von André Scheer, junge Welt, 18. September 2009
Über 96 Milliarden Dollar kostete Kuba vorsichtigen Schätzungen
zufolge die seit 50 Jahren anhaltende US-Wirtschafts- und
Handelsblockade gegen die Insel. Legt man dieser Rechnung heutige Preise
zugrunde, belaufen sich die Verluste sogar auf mehr als 236 Milliarden
Dollar. Das geht aus einem Bericht der kubanischen Regierung an die
UN-Vollversammlung hervor, den Kubas Außenminister Bruno Rodríguez
Parrilla am Mittwoch (Ortszeit) in Havanna vorstellte. Die Vereinten
Nationen werden voraussichtlich am 28. Oktober zum dann 18. Mal in Folge
über eine Resolution abstimmen, mit der die Blockade verurteilt und ihre
Aufhebung gefordert wird. Im vergangenen Jahr hatten dem von Kuba
vorgelegten Text 185 Staaten zugestimmt, nur drei Regierungen votierten
dagegen.
Der Bericht gewinne noch dadurch an Bedeutung, so
Rodríguez Parrilla, daß Barack Obama erst am Montag die Blockade gegen
Kuba um ein Jahr verlängert hat. Der US-Präsident hatte erklärt, das
»nationale Interesse« der Vereinigten Staaten erfordere die erneute
Verlängerung des »Gesetzes über Handel mit dem Feind«. Die ursprünglich
1917, während des Ersten Weltkrieges, erlassene Verordnung beschränkt
die Handelsbeziehungen mit als »feindlich« eingestuften Staaten. Heute
ist nur noch Kuba von den Bestimmungen dieses Gesetzes betroffen, die
durch zahlreiche weitere Verordnungen ergänzt und verschärft werden.
»Die Haltung der US-Regierung zeigt, daß dieses Land keinerlei
Schritte unternommen hat, um die gegen die Republik Kuba verhängte
Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade zu beenden. Im Gegenteil, die
Forderungen der Vollversammlung wurden ganz offen ignoriert und die
Blockadepolitik durch zahlreiche Aktionen weiter verschärft«, heißt es
in dem Dokument der kubanischen Regierung. Der Berichtszeitraum reicht
offiziell bis zum vergangenen Mai und berücksichtigt deshalb die Anfang
September in Kraft getretenen Erleichterungen bei Reisen von in den USA
lebenden Kubanern auf die Insel sowie bei Geldüberweisungen noch nicht.
Auf diese Maßnahmen der US-Administration angesprochen sagte der
kubanische Außenminister, sie seien »begrenzt und unzureichend«. Zudem
stellten sie lediglich die Rücknahme einiger Verschärfungen der
Bush-Administration dar. Der Diplomat erkannte an, daß Obama eine
»weniger aggressive« Politik gegenüber Kuba verfolge als sein
Amtsvorgänger. Rodríguez erinnerte aber daran, daß nach wie vor der
Austausch von Medikamenten und medizinischer Technik zwischen beiden
Ländern verhindert und auch den Handel mit Drittländern eingeschränkt
werde, da diese Kuba keine Geräte liefern dürfen, in denen sich aus den
USA stammende Komponenten befinden. Die Blockade müsse bedingungslos
aufgehoben werden, forderte der Minister: »Diese Politik ist unilateral
und sollte unilateral beendet werden.«
Auch international ist die
Verlängerung der Kuba-Blockade durch Obama auf Kritik gestoßen.
Brasiliens Präsident Luíz Inacio »Lula« da Silva kündigte an, Obama in
der kommenden Woche während des G-20-Gipfeltreffens in Pittsburgh nach
den Gründen fragen zu wollen, warum er die Blockade verlängert habe.
»Ich habe die Position der Vereinigten Staaten nicht verstanden«,
stellte Lula fest.