Havanna freut sich auf Juanes
Megakonzert »Frieden ohne Grenzen« auf dem Platz der Revolution
Von Leo Burghardt, Havanna, Neues Deutschland, 19. September 2009
Havanna fiebert dem Open-Air-Ereignis mit dem Titel »Frieden ohne
Grenzen« entgegen. 15 in- und ausländische Bands treten unentgeltlich
auf dem Platz der Revolution auf, darunter der kolumbianische Rockstar
nes und der spanische Popsänger Miguel Bosé.
Seit Mitte der Woche steht die Bühne, sind die Kabel installiert, die
Standorte für Lautsprecher und die Riesenleinwand skizziert – das
Mega-Konzert für den »Frieden ohne Grenzen« kann beginnen. Auf der
Bühne: der 37-jährige kolumbianische Popsänger, Komponist und
zwölfmalige Grammy-Gewinner Juanes (Juan Esteban Aristizabal) und seine
14 Kollegen aus Kuba, Spanien, Ecuador, Italien und Puerto Rico. Ab 14
Uhr Ortszeit werden sie am Sonntag vor einem Auditorium von 600 000 auf
Anregung Juanes weißgekleideten Kubanerinnen und Kubanern aufspielen.
Die Menschenwerden sich um die Tribüne am Platz der Revolution scharen
wie 1998, als Papst Johannes Paul II. am selben Ort predigte und den
historischen Satz prägte: »Die Welt möge sich Kuba öffnen und Kuba der
Welt.«
Kuba hat sich geöffnet. Weil jedoch die Veranstalter des
Konzerts ohne Sponsoren – die Musiker spielen ohne Gage, die übrigen
Kosten übernimmt das kubanische Institut für Musik – versichert haben,
ihre Initiative diene dem Frieden und fühle sich keiner politischen
Richtung verpflichtet, soll hier nicht aufgerechnet werden, wer sich
gegenüber Kuba nicht geöffnet hat.
Es ist das zweite Konzert
dieser Art, das Juanes veranstaltet. Das erste »Frieden ohne Grenzen«
zog im März 2008 an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela
zigtausend Menschen an, die nicht nur der Musik wegen gekommen waren,
sondern weil sie mit Beunruhigung die zunehmenden Spannungen zwischen
Bogotá und Caracas zur Kenntnis nahmen. Diesmal will Juanes, der
Komponist und Interpret zu Herzen gehender Ohrwürmer wie »Das schwarze
Hemd« und »Ich bitte Gott«, eine Brücke schlagen von Kubanern zu
Kubanern und – wenn möglich – von den USA zu Kuba.
Juanes lebt in
Miami. Und seit seine Idee dort publik wurde, hat ihn das
zusammengeschrumpfte, aber nach wie vor einflussreiche ultrakonservative
kubanische Exil der Uralten verfolgt: Morddrohungen, falls er seinen
Auftritt nicht absage. Die Polizei deckte sein Haus mit Spezialagenten,
in der berüchtigten Calle 8 zertrümmerten etwa 100 Fanatiker mit Hämmern
CDs von ihm. Hier in Havanna vom ND befragte Kubaner beiderlei
Geschlechts bezeichneten die Vandalen ausnahmslos als »Verrückte«,
»Idioten«, »infame Störenfriede« und »Gott sei Dank aussterbende Art«.
Einige meinten, diese Wut sei gar nicht so sehr gegen Juanes gerichtet,
mit dem sich unter anderem Julio Iglesias und Placido Domingo
solidarisierten – »alles, was als positiv für Kuba ausgelegt werden
könnte, lässt sie den Verstand verlieren.«
Einige Künstler hatten nach den ersten Krawallen ihre Teilnahme an dem
Konzert zum Weltfriedenstag zurückgezogen. »Wie stehen Sie dazu«, wurde
Juanes gefragt. Antwort: »Ich respektiere deren Entscheidung, ich lebe
in Miami und weiß, wie das ist.« Nichts sei schlimmer als dieses Exil,
»dessentwegen ich nicht auf den Straßen spazieren kann, die auch mir
gehören«. Der Spanier Miguel Borsé sagte nur: »Ich gehe nach Kuba, weil
ich will!«
Die Puerto-Ricanerin Olga Tañón (fünf Grammys) wird
das Konzert, das live übertragen wird und über Internet auch in
Deutschland empfangen werden kann, eröffnen. Sie ist die einzige Frau
unter 14 Männern. Der Vorfreude tut dies keinen Abbruch.
Beschnuppern mit Bass
Kuba: Konzert in Havanna
Süddeutsche Zeitung, 21. September 2009
Eine Million Menschen haben in Kuba ein Konzert mit dem
kolumbianischen Popstar Juanes besucht. Der warb für Frieden, auch mit
den USA - trotz Morddrohungen.
"Frieden ohne Grenzen" hieß das
Motto des kostenlosen Konzertes auf der Plaza de la Revolución, zu dem
Juanes in die kubanische Hauptstadt Havanna geladen hatte.
Sie kamen in Weiß, so wie ihnen geheißen. Und Weiß stand für Frieden: In
Kubas Hauptstadt Havanna sind am Sonntag etwa eine Million Menschen zu
einem Konzert unter dem Motto "Frieden ohne Grenzen" zusammengeströmt.
Die kostenlose Veranstaltung auf der Plaza de la Revolución - dort wo
Fidel Castro einst begeisterte - war den Organisatoren zufolge die
größte derartige Veranstaltung seit der Kubanischen Revolution.
Star des Abends war der kolumbianische Popstar Juanes, der verkündete:
"Wir müssen aus Hass Liebe werden lassen." Juanes war auch Organisator
des Konzerts. Ein Großteil der Menge erschien weißgekleidet, wie von
Juanes initiiert, auf dem riesigen Platz im Zentrum Havannas, der
traditionell Schauplatz flammender Reden des Revolutionsführers Fidel
Castro war. Der hatte diesen Ort aber schon einmal einem anderen
überlassen: 1998 las der mittlerweile verstorbene Papst Johannes Paul
II. dort eine Messe.
Das Konzert war als Beitrag zur
Verständigung zwischen Kuba und den USA gedacht, US-Präsident Barack
Obama hatte es im Vorfeld begrüßt. Dagegen hatten rechtsgerichtete
exilkubanische Gruppen in Miami den dort mit seiner Familie lebenden
37-jährigen Liedermacher Juanes aus Protest gegen das Konzert mit dem
Tod bedroht und CDs mit seinen Liedern zerstört.
Zusammen mit Juanes,
der mit "La Camisa Negra" einen Welthit landete und insgesamt 17
Latin-Grammys gewann, traten im Laufe des Abends unter anderem die
Gruppe Los Van Van sowie Silvio Rodriguez aus Kuba, der Spanier Miguel
Bose, der Italiener Jovanotti und Olga Tanon aus Puerto Rico auf. Juanes
seinerseits trug ein neu komponiertes Lied mit dem Titel "Cubano Soy"
(Ich bin Kubaner) vor, das er als "Hommage an die kubanische Familie im
In- und Ausland" bezeichnete.