Treffen zweier Kontinente
Gipfel in Venezuela diskutiert Verteidigungsbündnis. Bank des Südens gegründet
Von André Scheer, junge Welt, 30. September 2009
Staatschefs und hochrangige Regierungsvertreter aus nicht weniger als
61 Ländern sind am vergangenen Wochenende auf der venezolanischen
Urlaubsinsel Margarita zum zweiten Süd-Süd-Gipfeltreffen
zusammengekommen. Zwölf südamerikanische und 49 afrikanische Staaten
berieten dabei über eine weitere Stärkung der Zusammenarbeit beider
Regionen, deren Wirtschaftsaustausch allein seit dem ersten Gipfel 2006
im nigeranischen Abuja um mehr als 50 Prozent gewachsen ist, wie
Brasiliens Präsident Luiz Inacio »Lula« da Silva anmerkte. »Wenn sich
die mehr als eine Milliarde Einwohner Afrikas und Südamerikas
zusammentun, gibt es keine Herausforderung weltweit, der nicht begegnet
werden kann. Die regionale Integration und die Süd-Süd-Kooperation sind
die Waffen für den Aufbau einer gerechteren Welt«, fügte der
brasilianische Staatschef hinzu, der nach der UN-Vollversammlung in New
York und dem Gipfeltreffen der G20 in Pittsburgh seinen dritten Gipfel
innerhalb einer Woche absolvierte.
Der Gastgeber des
Süd-Süd-Gipfels, Venezuelas Präsident Hugo Chávez, rief die Regierungen
beider Kontinente auf, gemeinsam für eine Niederlage des weltweiten
Kapitalismus zu kämpfen, der die Menschheit zerstört und in Armut
gestürzt habe. »Südamerika besitzt 337 Milliarden Barrel Rohöl, das sind
24 Prozent der weltweiten Ölreserven, sowie 420 Trillionen Kubikfuß Gas.
Afrika hat 114 Milliarden Barrel Öl und 512 Trillionen Kubikfuß Gas. Das
zeigt, daß unsere beiden Kontinente eine Großmacht sind und wir von
niemandem etwas erwarten müssen, außer von uns selber.«
Libyens
Staatschef Muammar Al-Ghaddafi, der auch die derzeitige Präsidentschaft
der Afrikanischen Union innehat, schlug vor, ausgehend von den
Süd-Süd-Gipfeltreffen die Gründung eines »Südatlantikpakts« zu
betreiben, dessen Gründung im Rahmen des für 2011 in Libyen geplanten
nächsten Treffens erfolgen könne. Während Nordamerika in allen Bereichen
mit Europa verbunden sei, klaffe zwischen den Kontinenten im Südatlantik
ein Loch, beklagte Ghaddafi. Die »NATO des Südens« solle jedoch im
Gegensatz zu dem nordamerikanisch-europäischen Militärbündnis »keine
kriegerische Aktion« sein und auch die Staaten Asiens umfassen. »Ich
hoffe, daß es in Zukunft ein Gipfeltreffen geben wird, an dem Afrika,
Asien und Südamerika teilnehmen. Ich werde dafür kämpfen, daß so ein
Treffen der drei Kontinente realisiert wird«, betonte Ghaddafi. »Nur
wenn diese drei Regionen sich stabilisieren, dient das dem
internationalen Frieden, und nur dann gibt es eine Macht, die sich den
globalen Krisen des Planeten im Bereich der Wirtschaft, der Umwelt und
der Lebensmittelversorgung stellen kann.«
Die Regierungen
Südamerikas nutzten das Gipfeltreffen auch, um nach mehr als
zweijähriger Vorbereitungszeit die »Bank des Südens« offiziell zu
konstituieren. Die Staatschefs von Venezuela,
Argentinien,
Brasilien, Bolivien, Ecuador, Uruguay und Paraguay unterzeichneten die
Gründungsurkunde des als Alternative zur Weltbank und zum
Internationalen Währungsfonds gedachten Finanzinstituts, das zunächst
mit einem Kapital von 20 Milliarden US-Dollar ausgestattet
werden soll. Die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet nahm an der
Zeremonie als Beobachterin teil und erklärte, ihr Land könne der
Initiative »bald« beitreten. Die Bank soll ihren Hauptsitz in Caracas
haben und zwei untergeordnete Zentralen in Argentinien und Bolivien
betreiben. Angesichts der Verzögerungen, die während der Vorbereitungen
für die Gründung der Bank immer wieder aufgetreten waren, zeigte sich
die argentinische Präsidentin Cristina Fernández erleichtert, daß diese
nun überwunden zu sein scheinen: »Es hat gedauert, doch wir sind
angekommen. Aber eigentlich ist dieVerzögerung gar nicht so groß, wenn
wir von einer Institution dieser Art sprechen.«
Hugo Chávez
schlug vor, daß die Staaten Südamerikas und Afrikas auch eine gemeinsame
Süd-Süd-Bank schaffen sollten. Es könne doch nicht sein, daß die Länder
des Südens ihre Finanzmittel und Währungsreserven in die Metropolen des
Nordens transferieren, die dann wiederum Darlehen an Afrika und
Lateinamerika vergeben. »Sie geben uns Kredite von unserem eigenen Geld.
Das ist doch bescheuert«, urteilte der venezolanische Präsident.