Kuba in Coronazeiten - ein Update
Corona-Update Mai 2021
Wenn diese CL-Ausgabe erscheint, sind vielleicht schon die geplanten knapp 1,8 Millionen Bewohner der Hauptstadt Havanna mit Soberana 02 nach einem eigenen Priorisierungsschlüssel geimpft. Man hatte sich zu dieser Notfallmaßnahme entschlossen, da Havanna immer noch ein Hotspot der Erkrankung mit etwa der Hälfte der in Kuba registrierten COVID-19-Infektionen ist, während gleichzeitig noch die klinische Phase 3-Studie des Impfstoffes abgeschlossen wird. Während dieser 3. Phase werden auch 150.000 Personen des medizinischen Personals und die vielen Helfer der Hauptstadt im Rahmen einer Interventionsstudie geimpft.
Die internationale Solidaritätsbewegung hilft Kuba
Für diese und weitere Impfungen trafen im April 10 Millionen Präzisionsspritzen und Kanülen aus China im Wert von 800.000€ im Hafen von Mariel ein. In einer gemeinsamen Aktion waren an der Kofinanzierung dieser Lieferung auf deutscher Ebene die FG, das Netzwerk Cuba, die DKP, KarEn und die HCH beteiligt, auf europäischer Ebene und koordinierend mediCuba-Europa. Diese Aktion wurde durch die Spenden zahlreicher Kubafreund*innen möglich, bei denen wir uns alle auf diesem Wege herzlich bedanken möchten. Immerhin kamen so 550.000 € zusammen, ein Betrag, der Kuba wirklich hilft.
Die aktuelle Infektionslage
Am 5.5.2021 gab es bisher in Kuba insgesamt 110 644 Erkrankungen und 686 Tote. Die tägliche Zahl der Neuinfektionen lag in ganz Kuba zuletzt bei gut 1000/Tag und es gab ca. 10 Sterbefälle/Tag an oder mit COVID-19. Den seit März zu verzeichnenden Anstieg der Coronafälle führt man im Wesentlichen auf den Anstieg der Mutanten zurück. Hier scheint sich die südafrikanische Variante langsam durchzusetzen, gegen die Impfstoffe von Biontech und Astra Zeneca weniger effektiv sind.
Kuba hat bisher knapp 4 Millionen PCR-Tests durchgeführt. Von den letzten 1019 Erkrankten hatten 966 Covid-19 - Kontakte, 27 waren aus dem Ausland eingereist, bei 26 konnte man keine Ansteckungsquelle finden. Bei 43 % (440) verlief die Ansteckung asymptomatisch. 165 Personen waren jünger als 20 Jahre, 291 gehörten zu den 20-39jährigen, 351 zu den 40-59 jährigen und 212 waren älter als 60 Jahre.
Auffällig ist die geringe Mortalitätsrate in Kuba an COVID-19 von derzeit 0,62% gegenüber 2,4% in Deutschland und Belgien, 1,8% in den USA und 2,9% in Großbritannien. Diese Erfolgszahlen sind bedingt durch das flächendeckende, gut durchorganisierte Gesundheitssystem, die Hinzuziehung von zahlreichen Medizistudent*innen und auch nichtärztlichen Helfern sowie den Einsatz zahlreicher eigener Medikamente wie das Itolizumab und das Interferon alfa 2b (Heberon R), um nur 2 von über 20 zu nennen. Hier scheint Kubas spezielles sozialistisches System gegenüber den kapitalistisch orientierten Ländern die Nase deutlich vorn zu haben.
Kubas Impfstoffe
Weltweit befinden sich etwa 200 Kovidimpfstoffe in der Entwicklung. Mit Stand vom 25. März 2021 hatten 23 Kandidaten die klinische Phase III erreicht. Zwei davon kamen aus Kuba (Soberana 2 und Abdala). Kein anderes lateinamerikanisches Land, kein Entwicklungsland hatte bis zu diesem Zeitpunkt einen eigenen Impfstoff entwickelt.
Die am weitesten fortgeschrittenen Impfstoffe in Kuba sind das vom Finlay Impfinstitut und vom CIM entwickelte Soberana 02 und das vom Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (CIGB) entwickelte Abdala. Soberana 02 wird am Tag 0, 28 und 58 geimpft, Abdala am Tag 0, 14 und 28. Für beide Impfstoffe sind also insgesamt 3 Impfungen vorgesehen. Die Wirksamkeit soll nach bisherigen Daten nach 2 Impfungen bei 80 Prozent liegen, nach 3 Impfungen bei 98 Prozent. Und das bei geringen Nebenwirkungen. Diejenigen, die bereits eine COVID-19- Infektion überstanden haben, sollen eine Auffrischungsimpfung mit dem letzten und fünften kubanischen Coronaimpfstoff Soberana Plus erhalten, dem Wirkstoff, der sich seit April in der klinischen Prüfphase 2 befindet. 100.000 Iraner und 60.000 Venezulaner nehmen derzeit an klinischen Studien der Phase 3 mit Soberana 02 teil.
Viele Länder Lateinamerikas und die afrikanische Union haben ihr Interesse an den kubanischen Impfstoffen bekundet. Sie können sich die hohen Preise der Pharmagiganten(10-30 Dollar/Dosis) einfach nicht leisten und die chronisch unterfinanzierte WHO kann nicht überall helfen. Zu Recht hoffen sie auf Lieferungen aus Kuba zum Selbstkostenpreis oder zu leistbaren Konditionen. Soberana 01 und Mambisa befinden sich weiterhin in Phase 1. Ende April wurde bekannt, dass das Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (CIGB), das den kubanischen Impfstoffkandidat Abdala entwickelt hat, das Serum im Rahmen einer Studie auch an Minderjährigen und Kindern erproben will. "Derzeit befinden wir uns in den letzten Zügen des Studiendesigns für die pädiatrische Bevölkerung", sagte die Leiterin der klinischen Studienabteilung, Verena Muzio, gegenüber der Nachrichtenagentur Prensa Latina. Derzeit wird geplant , auch in Venezuela eine Produktionsstätte für Abdala einzurichten.
Die Kooperation zwischen Kuba und China
Kubanische Wissenschaftler des CIGB forschen zusammen mit ihren chinesischen Kollegen im Joint Center für Biotechnology Innovation in Yongzhou in der Provinz Hunan, um einen neuen Impfstoff zu entwickeln, der gegen verschiedene bekannte und künftige Stämme und Mutanten des Coronavirus wirksam ist. Die Kubaner stellen die Expertise und das Personal zur Verfügung, die Chinesen v.a. die Ausrüstung und die Ressourcen. Da sich die chinesischen Impfstoffe als nicht so wirksam wie erwartet erwiesen haben, erhofft man sich, von der kubanischen Seite zu profitieren. Kuba kann im Gegenzug mit einer Unterstützung Chinas bei der Impfstoffproduktion und bei medizinischer Ausrüstung u.a.m. im Lande rechnen. Bereits seit 2 Jahrzehnten kooperiert Kuba mit China im Bereich der medizinischen Forschung. Bisher gab es 5 Joint Ventures allein im Biotechnologiesektor.
Gier oder Solidarität, Kubas Sonderweg
Am 23. März 2021 sagte der britische Premierminister Boris Johnson vor Anhängern der Konservativen Partei: "Der Grund für unseren Erfolg mit dem Impfstoff ist Kapitalismus, es ist Gier, Leute." Johnson meinte also allen Ernstes, dass das Profitstreben im Kapitalismus die besten Ergebnisse erzeugt. In Wirklichkeit haben die Erfolge Großbritanniens bei der Entwicklung des Impfstoffs von Oxford-AstraZeneca und bei der landesweiten Einführung der Impfung jedoch mehr mit staatlichen Investitionen als mit Marktmechanismen zu tun. Regierungsgelder subventionierten die Entwicklung des Impfstoffs an der Universität Oxford. Und es ist der staatlich finanzierte National Health Service, der das Impfprogramm durchführt. Was Johnson nicht anerkennt, ist, dass der Grund, warum Großbritannien derzeit die fünftschlechteste Covid-19-Todesrate der Welt hat, mit über 125.000 Todesfällen (mehr als 1.800 pro Million Einwohner), Kapitalismus und Gier ist. Entgegen Johnsons Behauptungen hat diese Pandemie bestätigt, dass die Bedürfnisse des öffentlichen Gesundheitswesens durch unser kapitalistisches System nicht erfüllt werden können. Tatsächlich ist es das Fehlen des Profitmotivs im sozialistischen Kuba, das jetzt fünf Impfstoffe in klinischen Studien hat und sich anschickt, eine der ersten Nationen zu sein, die ihre gesamte Bevölkerung impfen lässt, der Schlüssel zum Erfolg und der Königsweg aus der globalen Krise. Denn Kuba hat durch sein den Menschen und seinen Bedürfnissen verpflichtetem Gesundheitssystem, welches flächendeckend, präventiv und gemeindenah orientiert ist, die besten Behandlungsergebnisse und die geringste Mortalität an COVID-19. Auch die Forschung in Kuba ist nicht profitorientiert wie bei uns sondern orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen in Kuba und global. Kubas Biotechnologiesektor ist einzigartig; er ist vollständig in staatlichem Besitz und frei von privaten Interessen. Und er ist sehr effizient!
Durch schnelles und entschlossenes Reagieren, durch die Mobilisierung seines öffentlichen Gesundheitssystems und eines weltweit führenden Biotechnologiesektors hat Kuba die Zahl der Infektionen und Todesfälle niedrig gehalten. Innerhalb eines Jahres haben 57 Brigaden von Fachärzten aus dem kubanischen Henry Reeve Kontingent 1,26 Millionen Patienten mit Covid-19 in 40 Ländern behandelt; 28.000 kubanische Gesundheitsfachkräfte haben sich angeschlossen und arbeiten nun in 66 Ländern. Kubas Errungenschaften sind umso außergewöhnlicher, wenn man bedenkt, dass die Trump-Administration seit 2017 240 neue Sanktionen, Aktionen und Maßnahmen zur Verschärfung der 60 Jahre alten Blockade gegen Kuba verhängt hat, darunter fast 50 zusätzliche Maßnahmen während der Pandemie, die allein den Gesundheitssektor mehr als 200 Millionen Dollar kosteten.
Dass die Erfolge Kubas langsam auch bei uns zur Kenntnis genommen werden, zeigte kürzlich eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung bei mir zu Kubas Umgang mit der Coronapandemie. Hoffen wir auf zunehmendes Interesse und darauf, dass Kuba bald seinen gemeinwohlorientierten sozialistischen Weg ohne Hindernisse gehen kann. Aber bis dahin ist noch viel zu tun, in der Pandemie, gegen die US- Blockade und die Blockade in vielen Köpfen.
Bochum, den 5.5.2021
Klaus Piel